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Interview mit den DevOps- und Cloud-Experten Olaf Garves und Martin Lange

Wie DevOps, Cloud und Automatisierung die Zusammenarbeit in der IT verändern

Die IT-Welt verändert sich. Dazu tragen vor allem die Themen Cloud, DevOps und Automatisierung bei. Doch wie arbeiten Teams jetzt erfolgreich zusammen? Wie erkennt eine Organisation ihren Reifegrad in dieser veränderten Situation? Welche neuen Rollen entwickeln sich? Dazu haben wir die Experten der T-Systems Multimedia Solutions GmbH befragt.

Welche Erfolgsfaktoren sehen Sie in einer veränderten IT-Welt?

Olaf Garves: Die Kerngeschäftsprozesse eines Unternehmens, sind immer mehr mit der IT verknüpft. Das heißt, der Anspruch, dass die Technik im Hintergrund funktionieren muss, ist für die Leistungserbringung unbedingt zu erfüllen.  Digitale Zuverlässigkeit muss gewährleistet sein und dazu gehört,  Anwendungen sicher und stabil verfügbar zu machen und gleichzeitig die Möglichkeit zu bieten, schnell und kundenorientiert Funktionen und Features ändern zu können. Sie merken: Technische SLAs allein sind heute nicht mehr zeitgemäß, um den Erfolg zu messen. Durch DevOps, Cloud und Automatisierung verändern sich die Anforderungen erheblich. Das agile Team konzentriert sich auf Unternehmensziele. Um den businessrelevanten Output zu messen, sind folgende KPIs geeignet:

  • Grad der Zielerreichung im Business Case (Marktanteile, Umsatz, Profit, Image, Kundengewinnung, gesellschaftliche Ziele/Werteerhaltung, Nachhaltigkeit)
  • Zufriedenheit des Product Owners
  • Zufriedenheit des Nutzers (Endkunde, eigene Mitarbeiter, Partner)
  • Software-Durchsatz, Stabilität
  • Team Happiness
  • Feature-Anteil, Mean Time-to-Market (in Anlehnung an Mean Time To Repair, ein wichtiger KPI in der Instandhaltung)
  • Velocity
  • Qualität des Produkts in Bezug auf Skalierbarkeit, Performance, Stabilität, Verfügbarkeit und Robustheit
  • Team-Reifegrad
  • Reifegrad der Organisation

 

Wie erkennt eine Organisation den Reifegrad ihrer DevOps- und Cloud-Aktivitäten?

Martin Lange: Die Festlegung des Reifegrades kann in vier Dimensionen bestimmt werden: Kultur, Methoden, Tools und Architektur – diese werde ich kurz erläutern:

Kultur:
Die Organisationkultur kann von Silo-orientierter Organisation bis hin zur Sharing Culture gehen. Als Beispiel der klassische IT-Architekt: Er rettet jedes Projekt, egal in welcher Schieflage es sich befindet. Das ist sehr gut, führt auf Dauer dennoch zu Wissens-Silos. Wenn der Kollege nicht mehr Teil der Organisation ist, gibt es einige harte Nüsse zu knacken oder die Wissens-Domain verwaist komplett.
Tipp:
Ziel einer Organisation sollte eine Sharing Culture sein. Das Teilen von Wissen ist das höchste „Gut“. Vorrausetzung hierfür ist, dass die richtigen Methoden, Tools und Architekturen vorhanden sind.

Methoden:
DevOps als Methode ist in vielen Organisationen bereits an der Tagesordnung. Aber wie kann ich herausfinden, ob Teams bspw. in SCRUM effizient arbeiten? Agiles Zusammenarbeiten ist nicht für jeden gleich vom ersten Tag an normal. Es gibt einige Schritte, die getan werden müssen, damit es gut läuft. Z.B. werden anfangs StandUps und Retrospektiven eingeführt. Trotzdem wird es noch eine RACI-Matrix geben, die den Teams dabei hilft, die neue Verantwortung greifen zu können.
Tipp:
Schritt für Schritt werden Teams und Organisationen in der Lage sein, die neuen Methoden vollumfänglich zu nutzen und damit auch ihre Effektivität zu steigern. Weiterhin ist die eigene Organisationsstruktur wichtig. Ob Lean Management oder Spotify, finden Sie Ihr geeignetes Modell.  

Tools:
Der Wandel in der Organisation durch den richtigen Einsatz von Kollaborationswerkzeugen ist nicht zu unterschätzen. Nehmen wir O365 mit OneDrive als Beispiel. Durch OneDrive ist das gemeinsame Arbeiten an Dokumenten ein Kinderspiel. Lokale Kopien werden nicht mehr benötigt. Das Gleiche gilt für zentrale Repositories wie bspw. Git. Diese Werkzeuge ermöglichen es jederzeit Wissen zu teilen und alle Informationen in der Organisation zur Verfügung zu stellen.
Tipp: Erstellen Sie eine gemeinsame kulturelle Basis. Mit dieser wird ein neues Tool nicht nur ein weiteres Stück Geschichte in der Organisation sein, sondern gelebte Realität. 

Architektur:
Gerade durch Cloud und Hyperautomatisierung ändern sich die Regeln für die IT-Abteilungen in der Organisation. Hier wird in Zukunft mehr erwartet als das Bereitstellen von Diensten auf Basis von Requests. Fachabteilungen erwarten mehr Self-Services und schnellere Reaktionen auf ihre Anforderungen, um mit den aktuellen Marktrends mithalten zu können. Die CI/CD-Pipeline ist der direkte Weg in die Cloud. Alle Architekturen sollten sich danach richten, damit alle Komponenten automatisiert und sicher deployt werden.
Tipp:
Ermöglichen Sie Ihrem Team wegweisende CI/CD-Blueprints zu erstellen und vernetzen Sie es innerhalb einer aktiven Community. Erarbeiten Sie Angebote und bieten Sie Self-Service-Optionen an, ohne die Kreativität der einzelnen einzuschränken. Nehmen Sie ständig Feedback auf und setzen Sie dieses als wiederverwertbaren Standard um. Erlauben Sie Anpassungen und machen Sie diese anschließend transparent.

Können Sie uns das Wichtigste noch einmal zusammenfassen?

Martin Lange: Gern. Der Reifegrad einer Organisation lässt sich durch unterschiedliche Faktoren bestimmen. Es gibt keine Organisation, die in allen Bereichen 100% erreichen kann. Hier sind viele kleine Schritte in der Organisation durchzuführen, um sich von einer Power Organisation zu einer Performance Organisation zu entwickeln. In dieser Grafik sieht man, was die Unterschiede sind:

Von Power zu Performance - Wie sich die Reifegrade einer Organisation unterscheiden

Power-orientiert
Auf Anfrage folgt Reaktion

Regelorientiert

Performance-orientiert
Von sich aus denkende und handelnde Organisation

Zusammenarbeit

Kooperation nur da, wo es zwingend notwendig ist.

Kooperation wird akzeptiert.

Kooperation wird aktiv gelebt.

Verteilen von Informationen

Nachrichten werden ohne Zusammenhang verteilt.

Informationen werden vernachlässigt, Regeln zählen.

Es gibt spezielle Trainings für die Verteilung von Wissen, um einen größtmöglichen Gewinn durch die Nachricht zu erzielen.

Wahrnehmen von Verantwortlichkeiten

Verantwortung wird nicht wahrgenommen, da es dafür keinen Grund gibt.

Verantwortung wird in der definierten Rolle wahrgenommen.

Verantwortung und Risiken werden geteilt. Erfolge gemeinsam gefeiert.

Gegenseitige Unterstützung

Nahezu ausgeschlossen.

Wird im Sinne der Rolle toleriert.

Unterstützung wird aktiv in der Organisation gelebt. Wer hilft, ist Teil des Teams.

Fehlerkultur

Für Fehler wird immer ein Sündenbock gesucht.

Fehler führen zum Ausschluss aus der Organisation bzw. zu Sanktionen.

Fehler sind im Unternehmen erwünscht. Das Teilen der Erfahrungen gehört zum Alltag.

Umgang mit Veränderungen

Veränderungen werden in der Organisation nicht umgesetzt.

Veränderungen führen zu Problemen in der Organisation.

Veränderungen werden als normal angesehen und in der Organisation umgesetzt.

 

Ohne eine Strategie ist das doch gar nicht umsetzbar, oder?

Martin Lange: Das ist richtig. Eine klare Cloud-/DevOps-Strategie muss in diesem Zuge auf jeden Fall aufgesetzt und verfolgt werden. Hier helfen die vier Dimensionen von DevOps, um eine Reifgradanalyse zur Bestandsaufnahme für die eigene Organisation durchzuführen. Auf Basis der Ergebnisse können dann die zur Strategie passenden Schritte abgeleitet werden. Doch auch die Cloud löst nicht alle Probleme automatisch. Skripte/ oder PaaS-bezogene Konzepte zur Automatisierung aus dem herkömmlichen Rechenzentrum müssen zu großen Teilen neu geschrieben werden.  

In Zeiten von Fachkräftemangel: Welche Rollen werden jetzt unverzichtbar?

Olaf Garves: Aufgrund der stetigen Änderungen der Cloud-Plattformen benötigt man Experten für die Automatisierung der eigenen Prozesse. Aber keine Angst, nicht jedes Unternehmen benötigt jetzt zwingend einen Data Scientist oder ähnliches. Es muss auch nicht für jede neue Jobbezeichnungen ein Experte direkt auf dem Markt gesucht werden. Besser ist es innerhalb der eigenen Organisation eine Weiterentwicklung zu erreichen. Als Ausgangsbasis dienen hier die aktuellen Tätigkeitsprofile der eigenen Mitarbeiter und wie die eigene Strategie für die nächsten Jahre aussieht. Mit diesen Informationen können die benötigen Schulungspfade aufgesetzt und die Mitarbeiter für die neue Rolle fit gemacht werden.

An welche konkreten Beispiele denken Sie da?

Olaf Garves: System- und Security-Engineers zum Beispiel können zum DevOps-Engineer entwickelt werden. Dieser übernimmt alle Themen von der Automatisierung, Anwendungswartung, über Test und Build bis hin zu CI/CD-Anpassungen und Software-Stack-Aufbau und -Migration. Kurzum, er ist dafür verantwortlich, dass jederzeit deployt werden kann. Inwieweit andere Rollen sich ändern, haben wir in dieser Übersicht zusammengefasst.

Welche Qualifikationen müssen Mitarbeiter für diese neuen Rollen mitbringen?

Olaf Garves: Digitale Zuverlässigkeit, die der Kunde fordert, ist nicht nur ein technisches Feature. Anforderung sind mit Geschäftsverständnis zu bewerten und dann entsprechend umzusetzen. Es ist also nicht mehr nur von Bedeutung, dass IT-Mitarbeiter die richtigen Qualifikationen und Technik-Skills mitbringen. Der Engineer kann sich z.B. nicht mehr hinter der Technik verstecken. Vielmehr müssen IT-Mitarbeiter zukünftig vor allem Werte einer offenen Kultur mit ins Team einbringen, sie müssen interagieren und kommunizieren. Skills, die jetzt wichtig werden, sind Wissensaustausch, Zusammenarbeit, agile Methoden, Selbstorganisation, gemeinsame E2E-Verantwortung, Transparenz, Innovationsbereitschaft und Identifikation.

Unsere Autoren

Martin Lange ist als Teamleiter “Cloud Transformation” verantwortlich für die strategische Weiterentwicklung des Cloud-Geschäfts der T-Systems Multimedia Solutions Kunden. Bereits seit 2005 ist er im Konzern der Deutschen Telekom in verschiedenen Rollen tätig. Schon während des Studiums arbeite er als Software-Entwickler und Architekt. Nach mehreren Jahren als technischer Berater und Projektleiter im Bereich Cloud Computing war Martin Lange von 2015 bis 2018 Produktmanager für ein zentrales IaaS Public Cloud-Angebot bei der T-Systems International GmbH.

Olaf Garves leitet das Servicefeld “Application Management Telco und Mobility Solutions” bei T-Systems Multimedia Solutions. Nach Tätigkeiten in der Hochschullehre, -forschung und freier Tätigkeiten begann er 1996 als Projektleiter in der MMS im Umfeld iTV und Bildtelefonie und führte anschließend auch mehrere Jahre eine SW-Entwicklungseinheit. 2003 setzte er den Grundstein für eine Support-Abteilung, die erfolgreich Web-Lösungen für verschiedenste Kunden betreut. Seit 2013 beschäftigt er sich mit DevOps und hat seinen Bereich entsprechend agiler Anforderungen organisatorisch und prozessual weiterentwickelt. Dabei steht die Mitarbeiterförderung ganz vorne im Fokus.