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Karl Goldmann, Chief Information Officer bei D. Lechner GmbH (bis 2017)

Traumkombination: Qualität und Dienstleistung

Lechner ist ein weltweit anerkannter Produzent von Küchenarbeitsplatten und -rückwänden. Ganz gleich, ob Naturstein, Glas oder Keramik – den Maßanzug, den sich der Kunde wünscht, bekommt er auch. Das Unternehmen ist in seinem Segment eine Premium-Marke mit Losgröße 1. Das war über einen langen Zeitraum ein Alleinstellungsmerkmal: Qualität als die maßgebliche Konstante der Firmenphilosophie. Etwas, das für viele mittelständische Unternehmen in Deutschland bestimmt ebenfalls gilt. Jedoch genügt dieses Kriterium alleine im digitalen Zeitalter und in einem immer internationaler werdenden Wettbewerb nicht mehr. Neben der kaufinhärenten und vom Endkunden vorausgesetzten Qualität ist ein ebenbürtiger Service unabdingbar geworden, um langfristig prosperieren zu können. Maximaler Service und zugleich maximale Qualität sind gewissermaßen ein unzertrennliches Zwillingspaar geworden.

Ein Blick auf das B2C-Geschäft zeigt, welche Mechanismen auch im B2B erfolgversprechend sein können.

Aber woher kommt diese rasant gestiegene Bedeutung von Service? Das gründet für ein B2B-fokussiertes Unternehmen auch in der Entwicklung im B2C-Geschäft. Neben der Produktvielfalt bieten marktprägende Systeme diverse Tools, um einen Einkauf auch im Kaufnachgang zu einem Kauferlebnis werden zu lassen. Die für den Käufer zu erfahrende Experience erstreckt sich mittlerweile und ebenso zukünftig vor allem auf das Erlebnis nach dem Kaufen. Beispielsweise listet Online-Gigant Amazon mehr als 4.000 verschiedene TV-Geräte und TV-Zubehörartikel, die Auswahl ist riesig. Einfachste Bestellvorgänge unterstützen und bestärken den Käufer beim Akt des Bestellens. Im Nachgang erhält der Endverbraucher ein Live-Tracking des Versands, eine großzügige Retourenabwicklung, optimale Informationsgewinnung, Feedbackszenarien und zudem einen herausragenden Kundendienst, sollte dieser benötigt werden. Das Schaffen und Kommunizieren einer durchgängigen Transparenz für den Kunden ist zentraler Bestandteil, um erfolgreich „After-Sales-Service“ erlebbar machen zu können. Es ist wichtig, den während des instanziierten Prozesses anfallenden Daten eine für den Kunden relevante Bedeutung zu geben. So generiert man sinnvolle Information, welche nicht zuletzt zum Spannungsbogen des Kaufens beiträgt. Ist der Kauf getätigt, so greifen interne Servicevereinbarungen, um mit einem Quality-of-Service einen ganzheitlichen Abschluss generieren zu können. Der Kunde erwartet eine zügige Lieferung; immer öfter dauert es mitunter nicht einmal einen Tag vom Warenkorb-Klick bis zum Klingeln des Paketfahrers. Das bedeutet wiederum, dass sich selbst ein Küchenmöbel-Hersteller nicht mehr Lieferzeiten von 14 bis 16 Wochen von der Bestellung bis zur Lieferung leisten kann, da der Endkunde bereits top Quality-Quoten gewohnt ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden:Die Erwartungshaltung der Endkunden wächst nahezu täglich, und zwar branchenübergreifend. Für das B2B-Geschäft bedeutet dies, dass der Händler den dadurch entstehenden Druck an seine Lieferanten weitergibt, was unter obigen Gesichtspunkten nachvollziehbar wird. Diesem Druck kann nur standhalten, wer ein eindeutiges Servicebekenntnis ablegt. Und dies möglichst in mehreren Ebenen, etwa die Auftragsdurchlaufzeit betreffend, aber ebenso den Transport, die Liefertreue und mittelbare Prozess- oder Beratungsqualität. Hier gibt es eine Vielzahl an Stellschrauben, die Unternehmen vor allem mit moderner IT drehen können. Speziell die Produktionsvorlaufzeit ist dabei sehr bedeutsam, da sich damit gleich zwei Dinge positiv beeinflussen lassen. Wird diese verkürzt, so sinken die Kosten. Gleichzeitig lässt sich die Servicequalität erhöhen und die Lieferzeit verkürzen, auch dann, wenn die Produktionszeit stets als konstant betrachtet wird. Gibt es beispielsweise weniger Rückfragen aus dem B2B-Segment, so hat dies einen positiven Einfluss auf den Fertigstellungszeitpunkt der Produktion, der Kunde hält seine Ware schneller in der Hand, auch dann, wenn PPS-Systeme nicht genügend Agilität liefern können. Es gilt, alle Vorgänge zu bewerten, zu priorisieren und linear-dynamisch abzuarbeiten. Eine Aufgabe für moderne Servicearchitekturen, die durch Organisation und IT-Infrastruktur bereitgestellt werden können.

Durch eine Vernetzung mit nachgelagerten Vertriebsstufen kann das eigene Servicebekenntnis übergreifend gesichert und die Beratungsqualität im Handel erhöht werden.

Das ist beispielsweise ein Grund, warum die Händler über die Marketing-Cloud an Lechner angebunden sind. Informiert man hier etwa darüber, dass Fernsehwerbung geschaltet wird, können sich die Partner besser darauf vorbereiten, dass explizit diese Produkte auch im Geschäft in den kommenden Wochen nachgefragt werden. „Mach den Händler zum Mitarbeiter!“ – dieses Motto sollten Unternehmen in die Tat umsetzen. Steigt die Beratungsqualität, sinken die im Hintergrund nötigen Aufwände für die nachgelagerten Prozesse. Darüber hinaus freut sich der Endkunde über den kompetenten Handelspartner. Es entsteht eine Win-win-Situation. Das heißt, der Handelspartner wird für seine Mitarbeiterschaft belohnt. Dafür muss der Hersteller im Gegenzug aber bürgen, dass der Händler wichtigen Informationen nicht mehr hinterherlaufen muss. Information muss Vernetzung erfahren, sodass Wissen automatisch im Handel entstehen kann. So versteht der Fachhandel die Produkte, den zu erwartenden Service und die dafür notwendigen Prozesse besser. Er macht weniger Fehler, was in letzter Instanz einen Summanden in der Lieferzeit bedeutet: Die Kosten zur Auftragsbearbeitung sinken.

Diese Form der Informationsbereitstellung und des Wissensaufbaus lässt sich mit technologischer Unterstützung auch intern gut bewerkstelligen. Indem ein Unternehmen etwa sein Contact Center so umstrukturiert und aufwertet, dass die Qualität Einfluss auf den Service nehmen kann und vice versa. Weniger Fehler und mehr Eindeutigkeit entstehen auf diese Weise. Bei Lechner ist das erklärte Ziel, dass jeder Agent jede Bestellung in einem Arbeitsgang aufnehmen und den Auftrag anschließend vollständig produktionsfertig machen kann. Der optimale Workflow ist linear und kennt keine Entscheidungen. Dafür ist es aber notwendig, dass das Wissensmanagement im Unternehmen einwandfrei funktioniert. Fehlerfrei zu planen und auszuführen benötigt kluge Köpfe im gesamten Unternehmen in allen Rollen. Am Ende muss schließlich immer dasselbe erlebbare Ergebnis stehen und alle Entscheidungen müssen deterministisch als Algorithmus getroffen werden. Interpretieren Agenten bestimmte Prozesse unterschiedlich, besteht die Gefahr, dass das Ergebnis nicht nachvollziehbar und im ungünstigsten Fall vom Kunden als Willkür erfahren wird. Klassische Strukturen des Vertriebsinnendienstes werden aufgelöst und entstehen redundant skalierbar neu. Mitarbeiter haben so die Chance, ihre Arbeitszeit für mehr Wertschöpfung zu nutzen. Technologisch benötigt ein Unternehmen dafür ein Echtzeitsystem, einwandfreie Schnittstellen und Synchronizität zwischen den miteinander verbundenen Softwarelösungen und -systemen. Unterdessen ist es mindestens genauso wichtig, alle Mitarbeiterebenen immer wieder abzuholen und auf neue Prozesse einzuschwören, diese zu trainieren und Mitarbeiter zu motivieren. Denn mit vorhandenen Strukturen und Prozessen lässt sich dieses „Traumpaar“ von Service und Qualität nicht realisieren. Ideengenerierung und neue Wege müssen dafür gefördert werden und es muss darüber hinaus deutlich gemacht werden, dass eine Prozessoptimierung nicht mit dem Abbau von Arbeitsstellen einhergehen muss. Vielmehr rückt der Mitarbeiter aus Abwicklungsthemen heraus und kann mehr Nutzen bringende Aufgaben erfüllen. Noch lässt sich eine Arbeitsplatte nicht einfach am 3D-Drucker ausdrucken – noch nicht. Aber bereits in einigen Jahren kann dies durchaus denkbar sein. Dann sind selbst kleine Losgrößen für entfernt produzierende Unternehmen interessant. Denn dem Kunden ist bereits heute im Großen und Ganzen egal, wer ihn beliefert. Hauptsache, das Produkt ist hochwertig und der Service stimmt. Wer dieses Traumpaar jedoch für ihn bereithält, ist häufig nur noch nebensächlich. Darauf sollten sich Unternehmen einstellen und entsprechend agieren. Technische Möglichkeiten stellt das digitale Zeitalter dafür allemal zur Verfügung.

 

Über den Experten

Karl Goldmann ist Bereichsleiter der IT bei Ziehl-Abegg SE. Er war von 2009 bis 2018 bei der Lechner Holding AG verantwortlich für die fachliche, organisatorische und disziplinarische Leitung der konzernweiten IT mit den Bereichen Backoffice- und Frontend-Software-Entwicklung, Security & Service sowie Administration. Insbesondere zeichnet er für die nationale und internationale IT-Strategie und deren Umsetzung verantwortlich. Seine Themenschwerpunkte erstrecken sich auf das Modellieren neuer Arbeitsweisen und neuer Prozesse vor dem Hintergrund der Digitalisierung im weiteren Sinne und dem Wissensmanagement.

Vor Lechner war Karl Goldmann bei der SAW AG in München als Systemanalyst und zur strategischen Produktentwicklung von Daten- & DMS-Systemen tätig. Noch heute berät er Unternehmen und hält Vorträge zu verschiedenen IT-Themen.