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Quality Assurance

Auf welchem Level digitaler Zuverlässigkeit steht Ihr digitales Geschäft?

Das Thema Digitalisierung ist mittlerweile mehr als nur ein Schlagwort. Viele Unternehmen haben bereits neue digitale Prozesse geschaffen oder gar neue Geschäftsfelder durch digitale Technologien erschlossen. Unabdingbar für den Erfolg dieser neuen Ausrichtung ist dabei die Zuverlässigkeit der Anwendungen: Qualität, Verfügbarkeit und Sicherheit. Doch wie fit ist Ihr Unternehmen/ Ihre IT bezüglich dieser Themen?
Ute Seidel erklärt im Interview, wie eine Reifegradanalyse helfen kann, den aktuellen Stand und Handlungsfelder zu identifizieren. Dabei betrachtet sie speziell den Bereich digitale Qualität. 


Welchen Bedarf haben Sie gesehen, eine Reifegradanalyse zu entwickeln, die im Kontext der digitalen Zuverlässigkeit steht?

Bei aller Agilität im Time-to-Market wird leicht übersehen, dass Qualitätsmanagement auf der Höhe der Zeit auch agil vorgehen sollte. Das „Testgeschäft“ ist komplexer und kleinteiliger, auch disparater geworden: Was früher „Softwaretest“ war, ist heute das Management mannigfacher globaler Qualitätsanforderungen (verfügbar, sicher, nutzerzentriert ect.) im Kontext technologischer Transformation (Cloud, DevOps, Big Data, KI) und unter Projektdruck (schnell & agil), sowie gewohnt begrenzter Zeit- und Ressourcenlage. Es kann unter diesen Umständen kaum noch ein umfassendes Standardvorgehen geben, um für eine hohe Qualität eines digitalen Produkts oder Services zu sorgen. Gerade die neuen technischen und fachlichen „Cluster“ digitaler Transformation (oder ihres „Maschinenraums“) bringen eigene Qualitätskriterien und Prüfverfahren mit sich, da braucht der Qualitätsverantwortliche auch den entsprechenden Werkzeugkasten. Das DQM (Digital Quality Management)-Reifegradmodell ist Teil eines solchen Werkzeugkastens, um Verbesserungspotentiale auf allen Ebenen und in allen Bereichen aufzuspüren und schnell heben zu können.

Glauben Sie, dass Kunden hierfür empfänglich sind, wo doch klassische Assessments vermeintlich eine breitere Sicht haben?

Mehr als ein bestimmtes „Level“ anhand eines „alten“ und relativ unübersichtlichen Regelwerks attestiert zu bekommen, interessiert die meisten unserer Kunden, wie sie bessere Software und bessere digitale Services produzieren und anbieten können. Wobei „besser“ nicht abstrakt zu sehen ist, sondern möglichst konkret und Interesse-getrieben, denn der Kunde kennt seine „pain points“: Er möchte schneller in der Auslieferung werden oder sicherer im Umgang mit personenbezogenen Daten. Er möchte rechtlichen und regulatorischen Vorgaben voll entsprechen und er möchte nicht den Anschluss verlieren, wenn Konkurrenten von neuen Geschäftsmodellen, Arbeitsweisen und Technologien profitieren. Was Qualitätsfragen bei digitaler Transformation, Cloud, Internet-of-Things und Big Data anbelangt, bietet das DQM-Reifegradmodell einen sehr effizienten niederschwelligen Ansatz, um schnell, gezielt und relativ „preiswert“ diejenigen Bereiche in den Blick zu nehmen, die in klassischen Reifegradmodellen bislang eher keine Rolle spielen.

Wie hoch schätzen Sie denn die professionelle Abdeckung in Deutschland an umfänglichen Softwaretestverfahren in der Digitalisierung?

Grundsätzlich eher gering. Getestet wird nicht mehr als „nötig“, das kennt jeder von Microsoft oder den neuesten Apps. Wie schon gesagt, Softwaretest war früher größtenteils Funktionstest und es gab nur wenig Plattformen zu beachten. Umfänglich war ein Test da schon, wenn es Testfälle für jede ausbuchstabierte Anforderung gab. Heute unterliegen Teststrategien voll ausdifferenzierte Qualitätsmodelle (z.B. ISO/IEC 25010) mit zahlreichen Qualitätsdomänen und ihnen zugeordneten unterschiedlichen Test-Arten, mit jeweils unterschiedlichen Metriken zur Abdeckungsmessung. Zudem gibt es viel mehr Plattformen und „Devices“ zur Interaktion mit Software und Services. Auch ein sehr „umfänglicher“ Test heute wird eine risiko-bezogene Definition dessen umfassen, was eben nicht getestet wird. Softwaretest und digitale Qualitätssicherung ist heute mehr denn je die Kunst des Möglichen. Und die Identifikation des Nötigen und Sinnvollen. Dem dient das TIC-Reifegradmodell. Dem dient das DQM-Reifegradmodell.

Für welche Projektgrößen empfehlen Sie Ihr Verfahren?

Jedes Unternehmen und jede Organisation, welche die digitale Zuverlässigkeit ihrer Software und Services verantwortet, wird sich der DQM-Reifegradanalyse nutzbringend bedienen können. Das ist weder an Mann-Stärken und Budgets gebunden, noch an die Beschäftigung mit allen genannten Themen, Bereichen und Technologien digitaler Transformation. Das DQM-Reifegradmodell ist modular aufgebaut, so dass auch jeweils nur einzelne Themen genauer beleuchtet werden können, etwa der Umgang mit Big Data und Datacenter-Dienstleistungen oder mit Datensicherheit und IT-Security. Es mag sogar sein, dass bei kleineren Organisationen und Projekten und hinsichtlich spezifischer Anforderungsprofile digitaler Zuverlässigkeit sich ein höherer Reifegrad bestimmter „Cluster“ gar nicht lohnt. Aber auch das sieht man klarer und lässt sich leichter begründen nach einer Reifegradanalyse. Das wird aber eher der Grenzfall sein.

Über die Expertin

 

Ute Seidel

Ute Seidel studierte bis 2000 Wirtschaftsinformatik an der TU Dresden.
Über Stationen als zertifizierte Software-Entwicklerin für Java-Webapplikationen, den Aufbau des Themas "Code Quality Management", sowie als Consultant und Qualitätsmanagementbeauftragte bei T-Systems, leitet sie seit 2011 den Bereich Digital Quality Management. Schwerpunktthemen sind Test Consulting sowie Integrierte Managementsysteme.