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Attikus Schacht, Schacht Consulting

"Das Herz muss für den Service schlagen"


Deutschland ist ein Produktland. Mit großer Ingenieurskunst und einer ebenso starken Detailverliebtheit sind in der Vergangenheit herausragende Dinge entstanden – keine Frage. In der Digitalisierung ändert sich jedoch das Marktverhältnis. Es entsteht, mitunter sukzessive, teilweise disruptiv, ein Nachfragemarkt. Bestes Beispiel dafür ist die Automobilindustrie. Viele junge Menschen haben bereits keinen Bedarf mehr an einem Fahrzeug, sie verlangen lediglich nach Mobilität. Heute geht es eher darum, für jeden Anlass das richtige Fortbewegungsmittel zu haben. Aus einer Haltung „Wir lieben Produkte“ muss sich deshalb die Haltung „Wir lieben Ideen“ entwickeln. Und dabei gibt es gleich mehrere Stellschrauben, um diesen Ansatz erfolgreich in der unternehmerischen Praxis umzusetzen.

Kundenkontakte wertschätzen

Jeder Hersteller, jeder Dienstleister hat heutzutage Kundenkontakte. Diese gilt es mehr denn je wertzuschätzen. Durch moderne Technologie können Unternehmen heute diesen Kunden besser zuhören, mehr Daten und Details sammeln, mehr von ihnen lernen, mehr mit ihnen interagieren und zielgerichteter ansprechen. Dieses Lernen kann manchmal schmerzhaft sein, aber es hilft dabei, guten Service anzubieten. Darüber hinaus ändern sich die Zielgruppen und das Marktumfeld heute rasant. Wer seinen Kunden und Interessenten intensiv zuhört, bekommt dies in der Regel deutlich und früh genug artikuliert, sodass sich entsprechende Maßnahmen rechtzeitig einleiten lassen.

 

Über den Tellerrand blicken

Unternehmen hierzulande vergleichen sich gerne mit dem Wettbewerb. Das ist richtig und wichtig, der Blick sollte jedoch auch weiter in die Ferne schweifen. Erst der Querschnitt durch alle anderen Branchen gibt ein Gefühl dafür, wie diversifiziert und zielkundenspezifisch Service heute sein kann, sein muss. Zu entdecken, wie andere Mittel und Werkzeuge für den Kunden eingesetzt werden, kann sehr hilfreich sein. Denn der Kunde vergleicht ein Unternehmen und dessen Service heute nicht mehr nur mit dem Wettbewerb, sondern auch und insbesondere mit dem Gesamtmarkt und dem Service-Champion.

Exzellente Mitarbeiter für exzellenten Service gewinnen

Geeignete Technologie lässt sich heute relativ problemlos finden und implementieren. Gute Mitarbeiter sind aber rar. Nicht grundlos beschäftigen einige Unternehmen bereits seit einiger Zeit gerne Quereinsteiger aus der Hotellerie und der Gastronomie. Der Begriff Dienstleister – dienen und leisten – hat gerade im digitalen Zeitalter eine besondere Würdigung verdient. Zudem sind neu geschaffene Ausbildungsberufe wie der Dialogkaufmann ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Customer Service stärken

Kundenservice ist keine Kostenstelle, sondern eine gelebte Einstellung, die zum Erfolgsfaktor werden kann.

Der Customer Service ist keine Kostenstelle, sondern ein differenzierender Erfolgsfaktor. Dieses Verständnis muss sich erst noch übergreifend durchsetzen. Ebenso, dass diese Dienste in einer eigenständigen Abteilung geführt werden.

Wie bedeutsam derart gestärkter Service für den ökonomischen Erfolg ist, zeigt eine aktuelle Studie der Berater von J. D. Power am Beispiel der Autoindustrie. „Fahrzeughändler, die sich vor, während und nach einer Serviceleistung um ihre Kunden kümmern, können eher mit Folgeaufträgen rechnen“, so die Studie, die das mit eindrucksvollen Zahlen belegt: Von den Kunden, die mit den Serviceleistungen des Händlers äußerst zufrieden sind, wollen ihn 79 Prozent „definitiv“ an Freunde, Verwandte und Kollegen weiterempfehlen, 72 Prozent werden ihren nächsten Wagen „definitiv“ beim gleichen Händler kaufen oder leasen. Von den Kunden, die etwas weniger zufrieden sind, wollen lediglich 43 Prozent den Händler weiterempfehlen und nur 38 Prozent sind bereit, dort ein Fahrzeug zu kaufen oder zu leasen.

Klares Ergebnis also, dass „normaler“ Service heute nicht mehr reicht. Das bestätigt auch eine Untersuchung in der Finanzwirtschaft. Knapp drei Viertel der Befragten stuften kanalunabhängig eine beständige Servicequalität als sehr wichtig ein, für fast zwei Drittel steht der Wunsch nach der sofortigen Lösung eines Problems, das heißt beim ersten Kontakt mit der Bank und unabhängig vom gewählten Kontaktweg, an oberster Stelle. Ein Drittel der deutschen Bankkunden erwartet, dass der Kundendienstmitarbeiter, der ihre Anfrage bearbeitet, ihre Geschichte kennt und über potenziell ungelöste Probleme informiert ist. Und das alles lässt sich eben nicht mit einem Kundenservice gewährleisten, der wie ein Anhängsel betrachtet wird. 

 

Integrierte Technologie einführen …

Den Mitarbeiter mit den passenden Skills im Contact Center dem entsprechenden Anrufer zuordnen, die Kundenhistorie kennen, das Multichannel-Konzept mit dem CRM verknüpfen und ein übergreifendes Wissensmanagement aufbauen – all das kann nur funktionieren, wenn die Servicetechnologie integriert aufgebaut ist. Erfolgreicher Service kann nicht auf Daten- oder Informationssilos basieren.

… und damit adaptives Denken fördern

Wenn beispielsweise die tradierte Telefonanlage durch eine neue Lösung ersetzt werden soll, dann ist es sicher keine gute Idee, alte Prozesse auf die neue Anlage zu portieren. Die neue Welt der Digitalisierung benötigt ein neues adaptives Denken. Erfolgreiche Serviceprozesse richten sich ausschließlich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Zielgruppe. Je nachdem, welche Herausforderungen der Kunde etwa im Support hat, sollte ein Unternehmen diejenigen prozessunterstützenden Technologien einführen, die diese Herausforderungen lösen. Letztlich ist diejenige Technologie richtig, die eine langfristige Kundenbindung stärkt.

Neben diesen allgemeingültigen, bereits vorhandenen Stellschrauben gibt es jedoch auch solche, die sich erst noch bewähren müssen. So wird in vielen Organisationen der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) diskutiert. Auch das ist ein richtiger, zukunftsweisender Schritt. Jedoch darf diese Technologie nicht als Selbstzweck gesehen werden. Ihre Daseinsberechtigung erlangt KI etwa durch deutlich schnellere und präzisere Voraussagen hinsichtlich des Kundenverhaltens. Auch Szenarien, nach denen Agenten einem Anrufer künftig nach dessen Stimmung zugeordnet werden, sind denkbar. In Summe also erneut Mittel und Wege, die sich einzig dem Kundenwohl unterordnen. Unternehmen sollten deshalb entsprechende Use Cases bereits heute für sich analysieren, denn langfristig wird, beispielsweise im Contact Center, kein Weg an dieser Technologie vorbeigehen. Allein der Fachkräftemangel wird dafür sorgen, dass Bots in den kommenden Jahren verstärkt die Arbeit von Menschen übernehmen werden.

Laut einer Studie des Softwareanbieters Oracle wollen 80 Prozent der Unternehmen bis zum Jahr 2020 Chatbots für ihren Kundendienst einsetzen. Und das liegt nicht allein an der Verknappung der personellen Ressourcen, sondern der „drastische Rückgang an Mensch-zu-Mensch Interaktionen“ sei das Ergebnis neuer Markenerfahrungen. Beispiel Uber: Dieser nutzt bereits heute einen rein digitalen Self-Service-Kanal, der von seinen Kunden sehr wohlwollend aufgenommen wird und auch prägend für andere Branchen sei. Das Erlebnis, nur eine App zu benötigen, um von A nach B zu gelangen, würde heute zahlreiche Kunden prägen und deren Erwartungshaltung gegenüber anderen Marken entsprechend beeinflussen. Bereits jetzt geben der Befragung zufolge 35 Prozent der Unternehmen an, dass ihre Kunden lieber einen Einkauf oder eine Reklamation abwickeln würden, ohne dabei mit einem Kundendienstmitarbeiter zu sprechen.

Letztendlich geht es bei all diesen Zukunftsthemen ausschließlich um den Kunden und seine Bedürfnisse. Wenn sich Unternehmen in diesen Tagen Gedanken um die Analyse der Customer Journey machen, muss am Ende ebenfalls die Optimierung der Kundenbeziehung im Vordergrund stehen. Dass ein neues Produkt verfügbar ist, sollten Kundenberater im Customer Service beispielsweise immer erst vom Unternehmen und nicht von anderen Kunden erfahren. Cross- und Upselling-Strategien funktionieren nur dann, wenn sie in alle Bereiche optimal integriert sind.

Fazit

Im digitalen Zeitalter liegt die Messlatte für guten Kundenservice immer noch ein Stückchen höher. Ein echtes Serviceerlebnis tritt erst dann ein, wenn der Kunde so begeistert ist, dass er es weitererzählt. Und Begeisterung entsteht erfahrungsgemäß erst bei einem Zufriedenheitsgrad von annähernd 100 Prozent, bereits 90 Prozent können gefährlich sein. Gute Produkte sind weiterhin essenziell, keine Frage.
Aber das Herz muss in den Unternehmen für den Kundenservice schlagen – mitunter sogar ein Stück weit intensiver
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Über den Experten

Attikus A. Schacht ist Geschäftsführer der Schacht Consulting, ein Expertennetzwerk mit dem Fokus auf zukunftsfähigen Lösungen im Kundenservice und Vertrieb. Der ausgewiesene Experte ist zudem Vorsitzender des KC Customer Service im DDV und begleitete vor seiner Beratungstätigkeit leitende Positionen bei Bosch Communication Center, walter services, tesion, Freudenberg und Nokia. Die Schacht Consulting ist spezialisiert auf Themen rund um das „Contact Center of the Future“ und unterstützt Unternehmen aus allen Branchen, ihre Kundenschnittstellen zu optimieren, zu restrukturieren und neu auszurichten.