Cookie

Interview mit Pascal Morgan, IT-Chef & Innovationstreiber bei Coca-Cola

„Die Transformation definiere ich als eine Reise, die man spätestens jetzt beginnen muss“

Coca-Cola ist seit Jahrzehnten eine der bekanntesten Marken auf der Welt. Um diese herausragende Position auch im Zeitalter Digital zu halten, muss sich das Unternehmen selbstverständlich nahezu täglich neu erfinden. Wie die Roadmap dieser digitalen Transformation bei „Coke“ aussieht, verrät Pascal Morgan, Director IT Germany & IT Innovation Europe bei “The Coca-Cola Company”.

Herr Morgan, aus Sicht einer der weltweit bekanntesten Marken gesehen: Ihr Unternehmen ist doch sicherlich auf unendlich vielen Ebenen von der digitalen Transformation betroffen?

Absolut richtig. Das geht von technologischen Innovationen wie Mobile Payment und Big Data über digitales Marketing und Konsumenten-Apps bis hin zu Vertriebsprozessen. Einfach gesagt: Die Transformation definiere ich als eine Reise, die man – spätestens jetzt – beginnen muss, aber voraussichtlich niemals beenden werden kann.

Welche Teilstrecken dieser Reise haben Sie denn zumindest bereits absolviert?

Wir beschäftigen uns beispielsweise global mit Predictive Analytics, weil wir uns davon versprechen, zukünftig unsere Produktionskapazitäten besser planen zu können. Dass solche Strategien nicht einfach umzusetzen sind, wird daran deutlich, dass wir global 500 Marken in über 200 Ländern mit entsprechenden Markt- und Konsumentendaten, bis zu sogar Wetterdaten, einbeziehen müssen. Oder wir bedienen die Kanäle, mit denen wir am effizientesten und effektivsten mit unseren Konsumenten in Kontakt treten können, wie wir also eine emotionale und „engaging“ Verbindung aufbauen können: über Social Media, viral, über Newsletter, oder etwa Youtube. All das beziehen wir ein und lernen daraus für neue Maßnahmen.

Sie können sich bestimmt vorstellen, dass bei Coca-Cola dafür dann nicht mehr nur eine App ausreicht, um all unsere Kunden auch auf digitalen Wege anzusprechen und an uns zu binden. Um am Markt digital überzeugend agieren zu können – und Authentizität ist ein wichtiger Wert bei Coca-Cola – müssen wir uns auch intern der Herausforderung stellen. Als Beispiel widmen wir uns intensiv dem Thema „digitale Transformation“ und nutzen Social Business-Tools mit global verteilten Projektteams.

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung kennt Ihr Unternehmen. Worauf muss man in diesem Zusammenhang achtgeben, wenn man ins digitale Zeitalter strebt?

Coca-Cola blickt auf über 128 Jahre Markengeschichte zurück, ist entsprechend wertvoll und hat einen konsequenten Markenaufbau erlebt. Hier gilt es die Balance zwischen digitaler Transformation und Markenkontinuität zu finden. Unser größter Wert ist die Konsumentenbeziehung. Einerseits vom Konsumenten zur Marke auf emotionaler Ebene, wie auch von uns als Unternehmen zum Konsumenten mit Insights und entsprechenden Möglichkeiten. Jeder Mensch hat irgendeine Coke-Geschichte, an die er sich erinnern kann, über die er oder sie emotional mit Coca-Cola verbunden ist Als Marke erzählen wir Geschichten, von Freude, von Gemeinschaft, von Erleben. Mit diesen Geschichten wird unsere Marke vermittelt, was in der digitalen Welt auch hervorragend funktioniert. Wir nennen das im übertragenen Sinn unsere „digital narrative“.

Menschen haben auch das Bedürfnis, ihre Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen. Hier bietet sich mit Apps, Musik, Mobility-Tools und Communities ein geeignetes Forum dafür. Unsere Selfie-Aktion zur Fußball-WM, bei der sich die Konsumenten auf dem größten Fotomosaik der Welt verewigen konnten, ist ein gutes Beispiel dafür. Zusammengefasst also: Wir müssen den Innovationsraum innerhalb unserer Marke geschickt nutzen können.

… und auf was setzen Sie demnach nicht?

Wir rennen nicht jedem Trend hinterher, wir sind keine kurzweilige Trendmarke, die kommt und vergeht, sondern wir nutzen gezielt Technologien, die uns aus unserer Sicht sinnvolles Business ermöglichen. Dazu gehört einerseits das Thema digitale Konnektivität. Einmal in Richtung B2B mit unseren Abfüllern, der Produktion, und Kunden aus Handel und Gastronomie etwa, wie auch mit unseren Partnern. Letztlich aber auch B2C mit den Konsumenten. Dabei legen wir großen Wert auf die Dreierbeziehung zwischen uns als Marke mit The Coca-Cola Company und unseren franchisenehmenden Abfüllern, unseren Geschäftskunden dem Handel sowie unseren Konsumenten – also die gesamte Beziehungskette ausschöpfend. Beispielsweise bei Geschäftskunden engagieren wir uns sehr stark in digitalen Loyalty- und Kundenpflege-Programmen. Hauptsächlich getrieben von unserem Abfüller in Deutschland, der Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG, haben Restaurants, Bars oder Imbisse die Möglichkeit, mit wenig Aufwand, wertvolle Maßnahmen zur Kundenbindung zu realisieren. Das ist konkrete digitale Innovation.

Okay, digitales Marketing ist der eine Weg. Inwieweit beeinflusst sie die digitale Transformation aber auch konkret bei Vertriebsprozessen?

Insofern, dass unsere Abfüller bei einem Geschäftskundentermin mit einem Klick in ihre mobile App auf dem iPad die konkreten Kundendaten eines Lebensmittelmarktes etwa im Blick haben. Sie sehen sogar die Füllstände und können die Qualität der Kühlschränke erfassen. Oder als anderes Beispiel: In den Vereinigten Staaten sind 24.000 interaktive „Freestyle“-Mischmaschinen auf dem Markt, bei denen sich der Konsument gewissermaßen „on demand“ sein persönliches Getränk zusammenstellen lassen kann, inklusive iOS und Android App und mit Schnittstellen zu sozialen Netzen. Damit bringen wir – zugegeben in kleinerem, fokussierten Rahmen – die Produktionsstätte direkt zum Konsumenten.

Fakt ist, dass die digitale Transformation das Zeug dazu hat, die gesamte Produktionskette durcheinander zu wirbeln. Und wir müssen dabei herausfinden, wie unser Produkt in Zukunft zum Konsumenten kommt. Natürlich auch unter Einbindung der Partner. Da bietet sich mit solchen Innovationen ein ausgezeichnetes Testfeld.

Piloten sind das eine. Aber wenn man wie ihr Unternehmen bereits erkannt hat, dass der digitale Wandel mit großer Wucht sämtliche Bereiche durchdringt, dann braucht es doch sicher mehr, oder?

Absolut. In erster Linie muss der digitale Wandel mit einem Wandel der Unternehmenskultur einhergehen. Denn man kann ihn meiner Meinung nach nur dann verstehen, wenn man ihn selber lebt. Deswegen führen wir mit unseren Mitarbeitern beispielsweise Design Thinking Workshops durch, oder rufen unser eigenes globales Business-Incubator-Programm („Coca-Cola Founders“) ins Leben, wo wir selbst Startups gründen, oder weltweit mit Technologie Startups und Entrepreneurs kooperieren („The Bridge“). Ein konkretes Beispiel für unser Coca-Cola Founders Programm in Deutschland ist das von uns finanzierte Start-up „Home eat Home“ (home-eat-home.de). Hier kann ein Kunde zwischen mehreren Gerichten wählen, für die die Zutaten perfekt portioniert in „Deli-Qualität“ vorbereitet werden und die er dann an Stationen mit Kühlschränken abholen kann. Die optimale Lösung für Menschen, die etwa durch die Arbeit keine Zeit zum Einkaufen haben, aber trotzdem am Abend kochen und vernünftig essen wollen. Jedes Gericht braucht in der Regel nicht länger als 15 Minuten. Dazu nutzen wir teilweise auch vernetzte Kühlgeräte mit neuesten digitalen Technologien. Zudem tauschen wir uns im Konzern weltweit aus, lernen über unsere Coca-Cola-University online und offline gleichermaßen und holen uns viel Input aus den sozialen Medien. Kurz und knapp: Wenn man bereit ist, sich intensiv auf die digitale Reise einzulassen, dann holt man unserer Ansicht nach auch das Optimale raus.