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Daniel Krauss, Gründer und Chief Information Officer FlixBus im Interview

Arbeitsteilung 3.0: Jeder macht das, was er am besten kann

Herr Krauss, die Liberalisierung des Fernbusmarktes verhalf Ihnen zu einem grandiosen Start ...

... der aber ohne die Digitalisierung gar nicht möglich gewesen wäre!

Warum?

Wir sind sozusagen ein Kind der Digitalisierung, wir haben ein digitales Herz. Im eigentlichen Sinne sind wir auch nur zu 50 Prozent ein Bus-Unternehmen, denn wir besitzen kein einziges Fahrzeug. Wenn man es genau nimmt, dann ist FlixBus eine digitale Plattform zur Reduzierung von Komplexität mit einem Markennamen. Busse sind nur ein Anfang.

Das müssen Sie erklären.

Unser Ziel war und ist es, Dinge zu vereinfachen, Komplexität zu reduzieren. Dies in der Form, dass wir immer von der Kundensicht aus denken, um den Kunden das Leben einfacher zu machen. Jetzt, im ersten Schritt, geht es darum, den Weg von A nach B so unkompliziert wie möglich zu machen. Das sehen sie auch in unserer Netzstruktur oder unserem Tarifsystem. Wir nennen das eine verbindliche Einfachheit. Vom Bestellen der Tickets bis hin zu Einsteigen im Bus und der Erfassung durch die Fahrer bis hin zum vom unseren Reisenden sehr geschätzten WLAN. Und das geht aus unserer Sicht nur digital, diese Einfachheit abzubilden.

Was sind die technischen Voraussetzungen dafür, das zu können?

Dass wir beispielsweise zu 100 Prozent cloudbasiert sind. Die Struktur, wie wir sie fahren, ist dezentralisiert und nur mit großen Cloud-IT-Playern möglich, die entsprechend skalieren können. Darüber hinaus konnten wir beispielsweise auf Basis von Data Analytics erst so erfolgreich werden, wie wir es jetzt sind. Unser Netzplan basiert etwa vollständig auf Big-Data-Analysen. Die Reisenden haben das letzte Wort, von wo nach wo wir Fahrten anbieten. Was der Markt verlangt, bieten wir an. Die dafür notwendige Rechenpower liegt in der Cloud, die könnten wir mit fest installierter IT als Start-up gar nicht aufbieten. Derartige Datenanalysen entscheiden auch, dass die Kunden, was den Service angeht, das letzte Wort haben. Das heißt ganz klar: Von wo nach wo wir fahren, bestimmen unsere Kunden. Ebenso, ob wir eine Fahrt von A nach B mehrmals am Tag anbieten. Ebenso sind unsere Vertriebskanäle strikt digital. Letztlich haben wir unsere Partner, die Verkehrsverbünde und viele weitere Schnittstellen digital angebunden.

Partner ist ein gutes Stichwort. Ist das nicht ein gewagtes Unterfangen, keinen einzigen Bus selbst zu betreiben und stattdessen sich ausschließlich auf digitale Strukturen zu verlassen?

Nein. Unser Ziel ist es immer, ein einheitliches Kundenerlebnis zu schaffen. Für uns sind 5.000 Busfahrer im Einsatz und klar gibt es hier immer wieder Defizite beim Umgang mit moderner Technologie. Dafür haben wir aber eine Akademie gegründet, in der die Fahrer trainiert und fit für die Digitalisierung gemacht werden. Sie sind auch gute Gradmesser, wenn es um die Usability beispielsweise unserer Buchungssysteme geht. Bevor wir damit live gehen, lassen wir diese von den Fahrern testen. Das ist also Digitalisierung von innen heraus. Damit kann man schon sehr viel erreichen.

Schauen wir aber mal auf die externen Rahmenbedingungen, inwiefern spielt hier die Entwicklung der digitalen Welt eine Rolle für Ihr Unternehmen?

Bereits heute eine sehr bedeutende. Wir erfassen die Standorte unserer Busse permanent, lassen dieses Big Data ebenfalls in unsere Analyse-Systeme einfließen und optimieren derart das Verspätungsmanagement. Die Zukunft ist, dass wir – Stichwort Internet der Dinge – noch mehr Telematikdaten in die Berechnungen mit einbeziehen und zum Beispiel den Kraftstoffverbrauch optimieren. Dieser Daten-Ansatz geht ebenso in Richtung Lenkzeitpausen, sodass sich Verstöße mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen lassen können. All das ist aber heute und in Zukunft nur dank einer cloudbasierten IT möglich.

Ist dieses digitale Fundament denn auch die zwingend notwendige Grundlage für eine Großakquisition wie die von Wettbewerber Postbus? Und was sind Ihr Pläne dort?

Natürlich. Hier vereinfacht eine sinnvolle Datennutzung beispielsweise die Integration bestehender Produkte – in diesem Falle des Postbusnetzes – in unser Angebot. Durch die Analyse von Fahrplänen, Nutzerpräferenzen, Preisstruktur etc. wollen wir bei der Integration das beste Angebot für alle Zielgruppen schaffen. Unser Ziel ist hier, dass wir uns durch die Optimierung unseres eigenen Produkts neue Kundensegmente erschließen.

Und wie sehen Sie die weitere digitale Zukunft von Flixbus, was ist dort noch alles von Ihnen zu erwarten?

Wie bereits gesagt, sind wir ein Busunternehmen, ohne auch nur einen Bus zu besitzen. Und das ist auch die optimale Zukunftsoption aus unserer Sicht: Arbeitsteilung 3.0 der Digitalisierung kann man das nennen. Das heißt, jeder macht das, was er am besten kann. Die Vernetzung bringt dann alle wieder zusammen. Dank der technologischen Unterstützung wird man immer mehr solcher Modelle sehen. Für uns heißt das etwa, auf diese Weise, wie wir in Deutschland agieren, auch Auslandsmärkte anzugehen. Oder warum sollte sich das FlixBus-Modell nicht auch auf die Schiene übertragen lassen. Ebenso beschäftigt uns noch sehr die letzte Meile: Wie komme ich am Busstopp weiter bis zu meinem finalen Ziel. Fahrradverleih, elektrisch betriebene Roller, E-Bikes, eine Fahrtenvermittlung im Pkw: Auch hier sehen wir noch viele Möglichkeiten, diesen Streckenabschnitt zu einem optimalen Kundenerlebnis zu machen. Keine Frage: Dank der Digitalisierung und unserer Unternehmensstruktur sind wir, was unsere weitere Entwicklung angeht, noch lange nicht am endgültigen Ziel angelangt.